In der Nacht zum 15. Mai 2021 ist unser Vorstandsmitglied Jörg Beier nach langer schwerer Krankheit gestorben. Jörg Beier gehört zu den frühen Mitgliedern des Lern- und Gedenkortes Kaßberg-Gefängnis e.V. und hat sich viele Jahre in der Zeitzeugenarbeit und in der Gestaltung der Chemnitzer Museumsnächte engagiert. Die Besucher des Kaßberg-Gefängnisses erhielten von ihm einen künstlerisch-sinnlichen Einblick in den Haftalltag des ehemaligen Stasi-Gefängnisses. Er hat mit seinen Erfahrungen und seinem Engagement dazu beigetragen, dass die jüngere und jüngste Geschichte nicht in Vergessenheit gerät.
Jörg Beier war es auch wegen seines eigenen Schicksals sehr wichtig, die Erinnerung an die Geschichte des Kaßberg-Gefängnisses wach zu halten. Der Ort dürfe nicht das letzte Wort haben. Er hatte die Hoffnung, dass wir zusammen die Geschichte aufarbeiten und künstlerisch einen etwas anderen Gedenkort schaffen können. Das sogenannte „Tor zur Freiheit“, der sogenannte „Aufpäppelknast“ sei wichtig, aber eben nur die eine Seite. Auch die andere Seite, die (Nacht-)Verhöre, die Schikanen, die Demütigung, das Nackt-Ausziehen-Müssen. Das alles dürfe nicht vergessen werden.
Im Sommer 1969 wurde der damals 22-jährige Kunststudent Jörg Beier kurz vor seiner Urlaubsreise nach Bulgarien wegen des „Verdachtes der Republikflucht“ festgenommen und in die Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit auf den Kaßberg gebracht. Seine ahnungslosen Eltern erfahren erst vier Tage später davon. Während seiner Haftzeit schicken sie ihm Briefe ins Gefängnis. Der beeindruckende und berührende Briefwechsel ist in seinem autobiografischen Buch „Aber die Gedanken sind frei. Briefe durch die Gitter“, das im Jahr 2015 erschienen ist, festgehalten. Nach dreimonatiger Einzelhaft mit Verhören und Schikanen verurteilte ihn das Bezirksgericht Karl-Marx-Stadt zu einem Jahr und sechs Monaten wegen „staatsfeindlicher Hetze“. Von Mai bis Oktober 1970 befand sich Jörg Beier im Strafvollzug Cottbus. Am 14.10.1970 wurde er entlassen und arbeitete in einem Holzbetrieb in Olbernhau.
Jörg war als Bildhauer, Galerist, Buchautor, Miterfinder der „Freien Republik Schwarzenberg“ und Kneipier weit über den Verein hinaus bekannt und angesehen. Wir werden seine herzliche, inspirierende, nimmermüde Art, Dinge anzupacken und Menschen mitzuziehen, sehr vermissen.
Wir verlieren mit Jörg Beier einen engagierten Mitstreiter und Zeitzeugen, Künstler und Menschenfreund. Wir werden sein Andenken bewahren und die begonnene Arbeit in seinem Sinne fortsetzen. Unsere Gedanken sind bei seiner Familie.